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2013-03-16

Radeln zwischen Pulsnitz und Kamenz bleibt heikel (Sächsische Zeitung - Kamenz)

Das Projekt stockt wieder. Ob es dieses Jahr weitergehen kann, steht in den Sternen. Am Geld hängt es nicht.

Von Reiner Hanke

An der viel befahrenen S95 zwischen Kamenz und Pulsnitz ist das Radeln gefährlich und kann schnell mal eng werden. Deshalb wurde mit dem Bau eines Radweges begonnen. Doch derzeit stagniert das Projekt wieder.Foto: M. Schumann An der viel befahrenen S95 zwischen Kamenz und Pulsnitz ist das Radeln gefährlich und kann schnell mal eng werden. Deshalb wurde mit dem Bau eines Radweges begonnen. Doch derzeit stagniert das Projekt wieder.Foto: M. Schumann

Hinter dem Grundstück von Dietmar Bahr saust die Städtebahn vorbei. Vor dem Gartenzaun der Verkehr auf der Staatsstraße95 zwischen Niedersteina und Gersdorf mit Fernlastern und Autos. Dietmar Bahr schimpft auf die Raser. Dazwischen kämpft ein Radler. Manchmal sieht es aus, als ob die Radfahrer hier um ihr Leben strampeln müssen. Genau deshalb soll künftig der Radweg Pulsnitz – Kamenz an seinem Haus vorbeiführen. Oder noch besser gesagt: durch sein Grundstück hindurch. Dietmar Bahr ist einer von über 100 Anliegern für den nächsten Bauabschnitt der Radtrasse. „Die wird gebraucht“, er stehe voll dahinter, sagt Bahr. Er habe sich schon mit den Behörden über die nötigen Flächen für den Bau geeinigt.

Das ist aber nicht überall an der Strecke so. Das Projekt stagniert schon wieder. Dabei sollte der Weg nach ursprünglichen Plänen des damaligen Kreises Kamenz schon abgeschlossen sein. Das erste Stück zwischen Pulsnitz und Niedersteina wurde 2011 fertig. Insgesamt geht es um eine Trasse von rund acht Kilometern zwischen Pulsnitz und Kamenz für 3,3 Millionen Euro. Seit dem Pulsnitzer Abschnitt ist aber wieder Ruhe ins Baugeschehen an der Trasse eingekehrt. Andreas Biesold ist Leiter der Bautzener Niederlassung, der Landesdirektion für Straßenbau und Verkehr, dem Bauherren für die Trasse. Er bestätigte jetzt gegenüber der SZ, dass die Planung sehr weit fortgeschritten ist. Die technischen Hürden seien genommen. Die Schwierigkeiten liegen jetzt tatsächlich im Grundstückserwerb. Mit rund 20 Eigentümern habe die Landesdirektion bisher noch keine Einigung erzielen können. Die Ursachen seien sehr vielschichtig. Es gebe Erbengemeinschaften, mit denen die Verhandlungen langwierig seien oder Eigentümer die weit weg wohnen. Die keine Verbindung in die Region haben. Manchmal quälen die Leute aber auch ganz andere Dinge in Stadt und Dorf, die gar nichts mit dem Radweg an sich zu tun haben, so Biesold. Deshalb wolle er jetzt die Kommunen Kamenz und Haselbachtal einbeziehen, um in den Gesprächen mit den Grundstücksbesitzern weiterzukommen. Gemeindemitarbeiter kennen sich vor Ort gut aus und hätten es leichter, einen Draht zu den Grundstückseigentümern zu finden, sie umzustimmen und für das Projekt zu gewinnen.

Dass der Radwegbau schon wieder stoppt, beunruhigt auch Kreisrat Maik Förster aus Oberlichtenau. Er meldete sich in einem Brief zu Wort und erinnert an eine Geschichte aus dem 19. Jahrhundert. Damals hatte Rittergutsbesitzer von Bünau den Eisenbahnbau blockiert. Deshalb kreuze die Bahn heute bei Gersdorf/Gelenau die S95 zweimal und fährt lange Schleifen. Das koste nicht nur Zeit, sondern die Bahn gerade jetzt wieder viel Geld beim Umbau der Bahnübergänge. Diesmal geht es um einen Radweg in der selben Region, der Privatgrundstücke schneidet. Die Geschichte drohe sich zu wiederholen, fürchtet Förster und zählt auf, warum der Weg gebraucht wird: wegen der „erheblichen Gefährdung von Radfahrern“, wegen der Nachteile für den Tourismus und für potenzielle Spritsparer, die sich momentan gar nicht mit dem Rad auf die S95 trauen. Weil sie um ihr Leben bangen. Andreas Biesold versichert aber, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird: Es gebe keinen Zweifel, dass dieses Radwegprojekt beim Freistaat als wichtig eingestuft sei. Es drohe nicht zu scheitern, auch nicht am Grunderwerb. Geld werde ebenfalls zur Verfügung stehen. Im ungünstigsten Fall müsse ein sogenanntes Planfeststellungsverfahren angeschoben werden, um den Bau durchzusetzen. In so einem Verfahren würden die betroffenen Flächen quasi eingezogen. Das kann sich allerdings hinziehen.

Hoffnung noch nicht aufgegeben

Margit Boden, die Bürgermeisterin vom Haselbachtal, hat aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es dieses Jahr weitergeht. Dafür sei sie gern bereit, die Planer in Bautzen zu unterstützen. Die Forderung nach dem Radweg gebe es schon ewig, „und die Leute fragen immer wieder danach“, sagt sie. Für den Tourismus, den Berufsverkehr, auch den Schulweg werde die Trasse gebraucht. Viel zu lange ziehe sich der Bau schon hin.

Und die Radfahrer müssen sich weiterhin im Autoverkehr an der S95 behaupten. Stefan Träber aus Weißbach ist ein passionierter Radler und war auch gestern an der Trasse zum Einkaufszentrum in Gersdorf unterwegs mit Lastern und Pkws im Nacken. Zu Radwegen hat er dennoch ein gespaltenes Verhältnis. Nicht jeder sei sinnvoll. Deshalb sollte die Nutzung kein Zwang sein, sagt er und weist auf Gefahren hin. Die entstehen immer dort, wo sich der Verkehr wieder mische. Dann werde der Radler vom Kraftfahrer gern übersehen. Träber erinnert an schwere Unfälle in Kamenz und Bernsdorf. Aber die S95 sei wirklich Horror für Radler, räumt auch er ein. Er habe selbst einmal Fahrzeuge gezählt: „Es waren 1000 in der Stunde.“ Der geplante Überlandradweg sei deshalb eine berechtigte Forderung. Das sieht Dietmar Bahr genauso. Dann hätte er nämlich auch mal die Chance, nach Gersdorf zu radeln. Vorgenommen habe er es sich und dafür einen Teil seines Landes abgetreten. Im Tausch gegen eine andere Fläche. Denn ein bisschen Platz für seine Traktoren und den Multicar brauche er schon. „Es wird doch immer mehr Verkehr.“ Er wünscht sich, dass Planer und Anlieger recht schnell Kompromisse finden: Schließlich habe er sich auch mit der Behörde geeinigt.