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2011-03-18

Wie die Stadt auf Ertels Provokation reagiert (Sächssiche Zeitung - Kamenz)

Hier der Videoausschnitt - Hupender PKW gegen Ertel - Vertreibung durch Ertels Helfer - enorme Unfallgefahr: Film

Die öffentliche Stadtratssitzung am Mittwoch stand mehrfach kurz vor dem Abbruch. Als es um die Behandlung des Bürgerbegehrens „Kein Asylheim in Kamenz“ einer NPD-nahen Initiative ging, wurden vor allem die sachlich vortragenden Rechtsgutachter immer wieder von Krakeelern auf den Rängen unterbrochen. OB Roland Dantz musste vom Hausrecht Gebrauch machen. Stadtrat Mario Ertel beleidigte die Gutachter am Mikrofon als „Rechtsverdreher“, wofür er eine Verwarnung erhielt. Nach der klaren Abstimmungsniederlage trat Ertel in die Mitte des Ratssaales und fordert „alle Kamenzer“ auf, ihm nach draußen zu folgen. Dort hielt er eine vorher im Detail geplante, nicht angemeldete Kundgebung mit etwa 100 seiner Getreuen ab, die ihm ein Strafverfahren einbringen dürfte. An der weiteren Stadtratssitzung nahm er nicht mehr teil. Die SZ wollte von der Stadtspitze wissen, wie man auf die Provokationen eines Stadtrates zu reagieren gedenkt. Der OB stand Rede und Antwort:

Herr Dantz, Stadtrat Ertel hat die Stadt und ihren OB offenkundig herausgefordert. Waren Sie von den Provokationen überrascht worden?

Nein. Wir wussten davon vorher, denn Herr Ertel hatte massiv dafür geworben. Landes-NPD-Leute, die mit Kamenz nichts am Hut haben, wollten in der Stadt Zwietracht sähen. Dies ging mit deutlichen Drohungen an den Stadtrat einher. Der ließ sich davon aber nicht beeindrucken, was ein gutes Zeichen ist.

Gäste, die an der Stadtratssitzung teilnahmen, fragten sich, warum die Stadt als örtliche Polizeibehörde nicht besser auf die Provokationen vorbereitet gewesen ist ...

Das Polizeirevier war darüber informiert, dass wir auch mit einer Eskalation im Rathaus rechnen mussten. Wir hatten uns aber ganz bewusst gegen eine Polizeipräsenz von Beginn an entschieden, um nicht allein dadurch noch mehr Spannung in die Debatte zu bringen. Es waren Störer da, die sich menschlich und sittlich völlig daneben benommen haben. Ich musste ein Hausverbot aussprechen, das aber nicht vollzogen werden musste, weil der Störer zuletzt doch noch einlenkte. Wir wollten nur im äußersten Fall die Polizei rufen.

Als Ertel seine illegale Kundgebung abhielt, ging die „Staatsgewalt“ auf dem Markt für mehrere Minuten von den NPD-Ordnern aus. Ein Gegner der Ertel-Rede wurde in seinem Auto direkt angegriffen. Ist dies nicht bereits der äußerste Fall?

Wir werden und müssen den Sachverhalt sorgfältig auswerten. Fakt ist, dass sich die Stadt und ihr Stadtrat nicht von Gewalttätern bedrohen und einschüchtern lässt.

Ertel hat mit seinem Verhalten deutlich gemacht, dass er den Stadtrat und die in ihn gewählten Vertreter der Kamenzer Bürgerschaft letztlich missachtet, was keine Überraschung ist. Kann er nicht zur Ordnung gerufen werden?

Das ist möglich und ja auch geschehen. Weil er sich u.a. bei der Redezeit nicht an die Geschäftsordnung hielt, die er selbst mit beschlossen hat, wurde er zunächst zweimal erfolglos verwarnt und ihm dann das Mikrofon abgestellt. Er stand knapp vor der Verweisung aus dem Sitzungssaal, was möglich gewesen wäre. Der NPD-Stadtrat meinte, dass er die Grundregeln der Stadtratsarbeit außer Kraft setzen kann. Wir prüfen Ordnungsmaßnahmen.

Wie stellen Sie sich die künftige Zusammenarbeit mit der NPD-Fraktion im Stadtrat vor?

Die Fraktion hat sich demaskiert. Es geht der NPD nicht um demokratische Spielregeln, sondern nur um die Durchsetzung der eigenen Meinung und letztlich um Machtergreifung. Ein derartiges Geschehen hat es in der neueren Geschichte des Kamenzer Stadtrates noch nicht gegeben. Ähnliches kann man im Stadtarchiv allerdings aus der Zeit noch vor der Machtergreifung der Nazis 1933 nachlesen. Wir werden Stadtrat Ertel aber nicht zum Märtyrer machen. Er hat sich mit seiner Ignoranz der demokratischen Spielregeln nicht als deutscher Staatsbürger gezeigt und so keinerlei Vorbildwirkung entfaltet. Wir werden diese Fraktion im Stadtrat dennoch so behandeln, wie es die Gesetze vorschreiben.

Ertel und seine Initiative wollen gegen das Stadtratsvotum zur Unzulässigkeit des Asylheim-Begehrens mit juristischen Mitteln vorgehen. Wie sehen Sie diese Ankündigung?

Sie war zu erwarten. In diesem Fall wäre die Entscheidung des sächsischen Verwaltungsgerichts gefordert. Dies wird der Initiative im Rechtsbehelf auch mitgeteilt.

Gespräch: Frank Oehl