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2008-12-20

Kreistag am Rand der Krawallgrenze (Sächsische Zeitung - Ausgabe Kamenz)

Von Ulli Schönbach

Die neue Ausländerbeauftragte des Landkreises heißt Anna Pietak-Malinowska. Der Kreistag hat die aus Polen stammende Bautzenerin am Donnerstag mit 63 von 87Stimmen gewählt. Die Politikwissenschaftlerin hatte sich als eine von fünf Männern und Frauen für das Ehrenamt beworben.

Auf den ersten Blick ein eher formaler Akt. Tatsächlich jedoch bewegte sich der Kreistag zeitweise am Rande der Krawallgrenze, denn die gesamte Diskussion wurde von der Kandidatur des Oßlinger Kreisrates Henry Nitzsche überlagert.

Angeblich alles nur Ironie

Der Fraktionsvorsitzende des Bündnisses „Arbeit, Familie, Vaterland“ (AFV) hatte seine Bewerbung als Ausländerbeauftragter vor zwei Wochen öffentlich angekündigt. Zur Begründung teilte er damals mit, als Aufgabe des Ausländerbeauftragten sehe er es in erster Linie an, „den hier ansässigen Ausländern bei der Organisation der Heimreise behilflich zu sein“. An den Kosten der „Rückführung“ wolle er sich im Fall seiner Wahl persönlich finanziell beteiligen. Die Folge waren scharfe Kritik von SPD und Grünen („lupenreiner Neonazi“) und der Austritt des Kreisrates Maik Förster aus der AFV-Fraktion.

In der Kreistags-Debatte wollte Nitzsche seine Erklärung als Ironie verstanden wissen – mit dem Ziel, die „Sinnlosigkeit“ eines Ausländerbeauftragten zu verdeutlichen.

SPD und Grüne mochten sich auf diese Erklärung freilich nicht einlassen. Ein Teil der gemeinsamen Fraktion verließ während Nitzsches Rede den Saal. Fraktionschef Gerhard Lemm forderte den Bundestagsabgeordneten anschließend auf, die „Wählertäuschung“ zu beenden. „Sie stehen für rechtsextreme Positionen. Ihre Forderungen decken sich eins zu eins mit der NPD. Treten Sie endlich dort ein, wo sie hingehören, Herr Nitzsche“, sagte Radebergs Bürgermeister.

SPD-Kreisrat Roland Fleischer fügte hinzu: Was Nitzsche vertrete sei kein gesunder Nationalstolz. In zahlreichen Redebeiträgen zeige sich dessen wahre Überzeugung: die Verachtung der Demokratie und die Sehnsucht nach Harmonie in einer nationalen Gemeinschaft.

Ungewollte Schützenhilfe bekamen SPD und Grüne von der NPD. Während Nitzsche selbst Distanz zu den Rechtsextremisten wahrt, konnte sich NPD-Fraktionschef Mario Ertel vor Freude kaum halten. „Hätte ich mich als Ausländerbeauftragter beworben, meine Bewerbung wäre genauso ausgefallen“, verkündet er strahlend. Bereits vor der Kreistagssitzung hatte die NPD eine Presseerklärung verbreitet. Bezeichnende Überschrift: „Willkommen im Klub, Herr Nitzsche“.

CDU: Beschämendes Schauspiel

CDU-Fraktionschef Matthias Grahl nannte die Diskussion später am Abend ein „beschämendes Schauspiel“. Seine Partei habe sich bewusst nicht an der Debatte beteiligt. „Ein Aufwertung derer, die mit dumpfen Parolen agieren, wird es mit uns nicht geben“, so Grahl.

Aus Sicht der Linken hat gerade der Auftritt von Henry Nitzsche die Notwendigkeit eines Ausländerbeauftragten unterstrichen. „Wir müssen uns der Sorgen der hier lebenden Ausländer aktiv annehmen und sollten deshalb auch noch einmal darüber nachdenken, ob dieses Amt nicht hauptamtlich besetzt werden müsste“, sagte der Kamenzer Bürgermeister Roland Dantz.

Die neue Ausländerbeauftragte, Anna Pietak-Malinowska erklärte, sie verstehe sich als doppelte Botschafterin. Sie wolle für die Ausländer da sein, aber auch unter den Ausländern für die Integration in die deutsche Gesellschaft werben.

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