Filme



Aktuelles

2009-11-05

Heißt das Gymnasium weiter Sauerbruch? (Sächsische Zeitung - Kamenz)

Von Reiner Hanke
Vor den 22 Kreisräten des Bildungsausschusses im Landkreis Bautzen liegt ein anstrengendes Wochenende: Noch bis Montag haben sie Zeit, einen Berg Lesestoff zu durchforsten, gut 70Seiten. Die befassen sich mit Ferdinand Sauerbruch, dem berühmten Chirurgen (1875 -1951) und Namensgeber des Gymnasiums in Großröhrsdorf.

Ob das künftig noch so sein wird, darüber soll am Montag der Ausschuss entscheiden. Das Landratsamt erarbeitete für die Tagung mittlerweile einen Beschlussvorschlag. Der soll für die Öffentlichkeit allerdings noch bis Montag geheime Verschlusssache sein. Erst Montagnachmittag, kurz vor der Sitzung, will Vizelandrat Steffen Domschke (CDU) die Haltung der Behörde erläutern. So hoch wird die Brisanz des Themas eingeschätzt. Dennoch ist mittlerweile durchgesickert, welche Position der Landkreis als Schulträger einnehmen wird. Dem Vernehmen nach soll Ferdinand Sauerbruch Namenspatron bleiben. Verbunden mit der Auflage zu einer intensiven Forschungsarbeit.

Vorbildrolle ist fraglich

Mit der Entscheidung im Ausschuss ist auch die Frage verbunden, inwiefern der Mediziner als Namenspatron der Vorbildfunktion für die Erziehung junger Menschen gerecht wird oder nicht. In den vergangenen Monaten wurde darüber in Foren, im Stadtrat, in den Gremien der Schule, unter Ärzten, Historikern, ehemaligen Schülern und SZ-Lesern intensiv diskutiert. Auslöser dafür war eine Veröffentlichung des Historikers Geralf Gemser Anfang des Jahres. In der Kritik steht der Arzt seitdem wegen neuer Erkenntnisse über sein Rolle während der Nazidiktatur. Wegen seiner Regimenähe als Generalarzt des Heeres und Mitglied im Reichsforschungsrat. In dieser Funktion soll er Geld für Senfgasversuche an KZ-Häftlingen bewilligt haben. Er ließ sich einerseits von Nazibonzen hofieren, trat andererseits gegen die Euthanasie auf und schützte jüdische Kollegen.

Unumstritten sind die medizinischen Leistungen Sauerbruchs. Ebenso, dass es viel Widersprüchliches im politischen Handeln des Arztes gab. Wie damit in der Namensfrage umgegangen werden sollte, in dem Punkt gehen die Meinungen der Fraktionen weit auseinander. So ist auch der Bildungsausschuss des Kreistags gespalten. Mitglied Maik Förster (fraktionslos) zum Beispiel räumt ein, Sauerbruch sei keine einfache Person. Dennoch stehe er „für die Beibehaltung des Namens, weil ich es für unerlässlich halte, unseren Jugendlichen Vorbilder zu geben, mit denen man sich auseinandersetzen muss.“ Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (Kreisrat Linksfraktion) nimmt nach der Debatte der vergangenen Wochen eine andere Haltung ein. Es gehe um die Namensgebung für eine humanistische Bildungseinrichtung und nicht etwa für eine medizinische Fakultät. Dies mache einen Unterschied. „Nach allem, was jetzt bekannt ist, hat Professor Sauerbruch in der Zeit der Nazi-Diktatur an exponierter Stellung gestanden und diese auch ausgefüllt.“ Von einer klaren und deutlichen Distanzierung habe man auch nach 1945 nichts gespürt, der ihm zugute gehaltene „Gesinnungswandel“ sei sehr vage geblieben. Deshalb habe sich offenbar die Schulkonferenz für die Ablegung des Ehrennamens ausgesprochen. „Ich werde dafür plädieren, dass das Votum der Schulkonferenz akzeptiert wird.“

Entscheidung nach 17 Uhr

Dagegen hielt es die große Mehrheit des Großröhrsdorfer Stadtrates für falsch, den Namen abzulegen. Auch eine Reihe Ärzte, ehemalige Schüler und Lehrer stellten sich hinter den Namenspatron. Schul- und Lehrerkonferenzen hatten ihren Antrag auf die Ablegung des Schulnamens im Landratsamt eingereicht. Der Bildungsausschuss wird am Montag, dem 9. November, darüber befinden. Die Sitzung ist öffentlich.

Die Beratung beginnt 17Uhr im Großen Saal des Landratsamts Bautzen, Bahnhofstraße9.