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2009-05-15

Europawahl 2009

Trotz Wahlgeheimnis verrate ich Ihnen wen ich wählen werde: Mister Europa - AUF-Partei

Eva Herman fürchtet Untergang des Abendlandes: Von der Europakundgebung der AUF-Partei in Frankfurt
Geschrieben von Carlo Clemens
18.05.2009
Am Samstag, den 16. Mai 2009, lud die bekennend christliche Partei für Arbeit, Umwelt und Familie – kurz: AUF-Partei – zu ihrer zentralen Veranstaltung zur Europawahl 2009 ins Hotel Excelsior nach Frankfurt am Main ein. AUF, im Januar letzten Jahres gegründet, tritt nach eigenen Aussagen für eine „werteorientierte Politik“ ein und lockte an jenem Tag etwa 150 interessierte Bürger mit überaus prominenten Referenten. Unter anderem sprachen Bestseller-Autorin Eva Herman, die Soziologin und Gender-Kritikerin Gabriele Kuby sowie Libertas-Gründer Declan Ganley.

Der christliche Aspekt zog sich hierbei als Mittelpunkt der ethischen Grundüberzeugung von AUF wie ein roter Faden durch die etwa fünfstündige Veranstaltung.

Die CSU bangt um Einzug ins EU-Parlament und fürchtet AUF-Partei

So war es auch nur konsequent, dass der katholische Journalist und ehemalige Redakteur des Rheinischen Merkurs, Martin Lohmann, mit einer auflockernden Moderation zwischen den jeweiligen Referenten oftmals für zynische Erheiterung beim älteren Publikum sorgte, wobei sich auch ein paar Dutzend junge Erwachsene unter ihnen befanden, was die Ablehnung gegenüber den etablierten Altparteien lautstark untermalte.

So spottete Lohmann zu Beginn der Veranstaltung über einen Europaabgeordneten der CSU, dessen Namen er „im Sinne der christlichen Nächstenliebe“ lieber im Dunkeln lassen wollte. Dieser habe ihn per Mail angeraten, die Veranstaltung abzusagen, weil AUF einerseits nur eine kleine Splitterpartei sei, andererseits aber auch den Wiedereinzug der CSU ins EU-Parlament gefährden könnte. Höhnisches Gelächter im Publikum. Wenn die da oben schon so panisch werden, dann müsse man ja was richtig machen, so der allgemeine Tenor.

Dieser wurde auch durch ein Grußwort der nichtanwesenden konservativen Jugendpsychotherapeutin und AUF-Aktivistin Christa Meves gestärkt: AUF wolle dafür sorgen, dass das praktizierte Christentum wieder zur ethischen Grundlage der Gesellschaft wird. Durch die liberale Abtreibungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte fehlten etwa acht Millionen Menschen als potenzielle Rentenfinanzierer. In der Überzeugung, dass die klassische Familie die „wichtigste Keimzelle der Gesellschaft“ sei, dürfe die Mutterschaft als „wichtigster Beruf“ nicht länger benachteiligt und diskriminiert werden.

Mit der Ankündigung, dass sie sich nicht darum kümmere, „was politisch korrekt, sondern was korrekt ist“, durfte dann die 50-jährige ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman zur Notwendigkeit einer „christlichen Kulturrevolution“ referieren. So monierte Herman zu Beginn ihres Vortrages, dass der Gottesbezug im vorgesehenen Lissabon-Vertrag keinen Platz fand und dass dem Schöpfer-Gott ein „irdischer Gott“ entgegengesetzt wurde, der für Materialismus, Macht und „menschliche Eitelkeit“ stünde. Nicht erst seit der Finanzkrise sehe sie Europa in der Krise, nämlich in der Krise der Dekadenz. Wir befänden uns „mitten im Untergang des Abendlandes“.

Alte Zivilisationen wie Rom, Griechenland oder Ägypten hätten gezeigt, wo es hinführt, wenn in einer noch so gebildeten Gesellschaft lediglich Lustprinzip und Materialismus zählten. Als konkrete Missstände führte sie die staatlich alimentierte Ideologie des „Gender Mainstreaming“ an, welche darauf abziele, die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau abzuschaffen. Des Weiteren nannte Hermann typische Kritikpunkte wie europaweit stagnierende Geburtenzahlen, steigende Scheidungsraten, Alkoholexzesse und entmenschlichte Sexualisierung von Jugendlichen oder mangelndes Verantwortungsbewusstsein zur Entscheidung für Familie und Kinder.

Herman: „Wir befinden uns mitten im Untergang des Abendlandes.“

Die Feminismuskritikerin wollte bei aller Kritik jedoch nicht als Pessimistin oder gar Schwarzmalerin gelten, sondern lediglich Fakten aussprechen. Im Erkennen des Schöpfungsauftrages und der damit verbundenen Verantwortung nicht nur gegenüber dem Wirtschaftssystem und Klima, sondern zu vorderst gegenüber dem mitmenschlichen Zusammenleben, wolle sie nicht „zurück in die Steinzeit“, wie ihr viele Kritiker vorwerfen. Lediglich soll das bewahrt werden, was immer von allgemeiner Geltung sein müsse.

Schuld an der Tatsache, dass das „Waldsterben für uns mittlerweile wichtiger ist, als das eigene“, seien seit Jahrzehnten Meinungsmacher der radikalen Feministen-Lobby und intellektuelle Köpfe der 68er-Bewegung. Hier verändere eine kleine Minderheit die öffentlich wiedergegebene Meinung und damit die gesamte Gesellschaft. Menschen, die unter derartigen Repressionen zu leiden hätten – und sie weiß sehr genau, wovon sie redet – ruft Herman zu: „Sie sind in der Mehrheit!“ Menschen hätten zu ihrer Verantwortung gegenüber dem Schöpfer zu stehen, vor allem öffentlich, wobei sie einen „Schneeballeffekt“ voraussagte.

Kooperation mit Libertas

Einen Coup landete die AUF-Partei in den letzten Tagen durch die erfolgte Zusammenarbeit mit Declan Ganleys Libertas-Bewegung, die es aus eigener Kraft zuvor nicht schaffte, zur Europawahl in Deutschland antreten zu können. Somit wurde Ganley kurzfristig zur Veranstaltung eingeladen. Dieser amüsierte sich köstlich über die Unionsparteien, die „großen christlichen Parteien, die Angst vor Christen haben“. Zudem sorgte er mit bekannten Phrasen über ein demokratisch unlegitimiertes Brüssel-Europa für den einen oder anderen Lacher. Anlässlich des neuen deutschen Bündnispartners bekannte sich der millionenschwere katholische Ire, der von einer Dolmetscherin übersetzt wurde, dann aber doch noch zur gewachsenen Kultur Europas, „der großartigsten Zivilisation aller Zeiten.“

Gabriele Kuby, katholische Konvertitin, die schon mehrere Veröffentlichungen zum Thema „Gender Mainstreaming“ herausbrachte und in diesem Gebiet als Aufklärerin gilt, knüpfte an die Gesellschaftskritik Hermans an. 1999 entworfen, sei Gender Mainstreaming eine Ideologie, die den Mensch zerstört und zu einem neuen Totalitarismus führe.

Diese Ideologie bereite einen „Generalangriff auf moralische Normen, denen wir unsere abendländische Kultur verdanken“, auf vier Ebenen vor: der biologischen – also Abkopplung des sexuellen Aktes von der Fortpflanzung und Legitimierung von Abtreibung; der sozialen – also Zerschlagung der klassischen Familie durch Entzug ihrer ökonomischen Grundlage; der psychologischen – also Verfall der Werte hin zu Selbstverwirklichung und Bindungsunfähigkeit sowie der geistigen Ebene, worunter sie die Propagierung der Sünde bei gleichzeitigem Dauerangriff auf die Kirche versteht.

Gender Mainstreaming agiere hinter der Fassade der angeblichen Unterdrückung der Frau durch das männliche Patriarchat. Eine Differenzierung der Geschlechter, welche auch eine kritische Betrachtung von Homosexualität beinhalten würde, fassten diese als „homophobe“ Diffamierung auf, die gleichgesetzt sei mit Rassismus oder Antisemitismus. Dieser Umstand führe zur „Gesinnungsdiktatur“. Skandalös sei hierbei, dass diese radikalfeministische Idee mittlerweile Grundlage der deutschen Familienpolitik sei, wie die etwa 100 Lehrstühle für „Gender Studies“ an deutschen Hochschulen – bei keiner vorhandenen ideologischen Alternative! – oder die Milliarden-Förderungen durch EU und UNO beweisen würden.

Der Gesinnungsdiktatur entgegenstehen – „Gender Mainstreaming“ ist Totalitarismus!

Für Erheiterung sorgte im Anschluss ein weiteres Mal Martin Lohmann, der angesichts des politisch korrekten Meinungsklimas frech und provokant bekannte: „Ich bin ein hundertprozentiger Mann und ich fühle mich wahnsinnig hingezogen zu hundertprozentigen Frauen. Ich bin gerne römisch-katholisch und ich bin gerne Deutscher. Ich bin sakramental verheiratet und habe meiner Tochter nie verschwiegen, dass sie ein Mädchen ist.“

AUF weicht deutlich vom politischen Mainstream ab. Doch wer das Grundsatzprogramm der Partei liest, merkt, dass trotz vagem Bekenntnis zum deutschen Nationalstaat abendländischer Kulturprägung Themen wie Migration, Islam, Islamisierung oder Überfremdung ausgeklammert werden. Dies ist auch dem als „Super-Referenten“ angekündigten Islam-Experten und Bestseller-Autoren Hans-Peter Raddatz aufgefallen, der AUF eine Prioritätenverschiebung empfahl und weit entfernt davon stand, eine Wahlempfehlung auszusprechen.

In Anbetracht der aktuellen politischen Situation sei es verfehlt, „mit Familienpolitik und Homosexuellenbetrachtung anzufangen“. Unter lautem Beifall erklärte Raddatz, das deutsche Parteiensystem habe sich vom „demokratischen Boden“ entfernt. AUF verpasse hierbei die Chance, sich als Alternative zu den verbrauchten Altparteien zu positionieren. Mit christlichen Argumenten allein erreiche man bei weitem nicht das „Frustrationspotenzial“ in der zum großen Teil nicht-wählenden Bevölkerung. Auf diese Kritik war man bei AUF sicherlich nicht vorbereitet. Trotzdem reihte sich Raddatz exzellent in den Reigen der kontroversen, doch ehrlichen Vorredner ein, die den durchaus mutigen Charakter dieser Kleinpartei unterstreichen, deren Zusammensetzung nach eigenen Angaben zur Hälfte aus politischen Neuanfängern besteht.

Fragwürdige Allianz zwischen EU-Eliten und Islamisten

Zum Thema „Von Gott zu Allah? – Das christliche Abendland und der Islam“ stellte der Orientalist Raddatz den Wesensunterschied zwischen Christentum und Islam heraus: Letzterer könne in seiner Reinform niemals säkular sein, denn islamisches Allah-Recht breche jedes staatliche Recht. Der Islam und das islamische Recht, die Scharia, zeigten den „imperialen Charakter“ dieser Religion, parallel dazu stehe die „imperiale Entwicklung“ der EU. Raddatz mahnte, die Islamkritik nicht auf die gläubigen Muslime zu übertragen, die keineswegs mit den islamistischen Repräsentanten, beispielsweise den sogenannten „Muslimbruderschaften“, gleichgesetzt werden dürften.

In diesem Zusammenhang sprach er die Zusammenarbeit von EU-Spitzen mit der islamistischen Organization of Islamic Conference (OIC) an, die zunehmenden Lobbyeinfluss ausübe. Gerade bei brenzligen Themen wie dem „interkulturellen Dialog“ stünde man jedoch schnell als Rechtsradikaler und Volksverhetzer da, wenn man die Islamisierung kritisiere.

Die danach referierenden AUF-Politiker konnten in punkto Charisma und Brisanz nicht so wie die prominenten Vorredner brillieren, so dass sich viele Zuschauer schon vorzeitig auf den Weg machten. Spitzenkandidat Dieter Burr betonte noch, dass die Europawahl im Juni wichtiger sei als die Bundestagstagswahl im September, da ohnehin heute schon 70 bis 80 Prozent der Gesetze in Brüssel gemacht würden.

Alle weiteren konkreten Forderungen, beispielsweise das Einfordern europaweiter Volksabstimmungen zum Lissabon-Vertrag, dürften Zukunftsmusik sein. AUFs Kritik an der gesellschaftlichen Dekadenz stellt ein parteipolitisches Novum in der Bundesrepublik dar. Andere Parteien kritisieren Symptome und Folgen des zwischenmenschlichen Verfalls. Könnte AUF eine gesellschaftliche Debatte über das Grundsätzliche auslösen?

Das Richtige erkennend, doch den falschen Weg beschreitend?

Ob die Europawahl der richtige Anlass dafür ist, und ob ein weiteres Parteiprojekt – der Wahlzettel wird mit 31 antretenden Parteien sehr lang! – der richtige Weg dafür ist, scheint fraglich. So darf bezweifelt werden, dass eine Partei, die mit „Christen für Deutschland“ wirbt, in einer Gesellschaft, die sich gerade im dekadenten Zerfall befindet, sonderlich viele Anhänger finden wird – ganz zu schweigen von den politisch-medialen Eliten. Durch Parteigründungen wird man diese Anliegen letztlich nicht öffentlichkeitswirksam debattieren können. Um irgendwann politischen Einfluss zu gewinnen, müssen die vorpolitischen Kriege erst einmal geführt werden. Eva Herman zumindest hat der großen Weltkrise durchaus auch Gutes abgewinnen können: „In der Not besinnt man sich. Die Menschen müssten noch viel mehr leiden, um endlich aufzuwachen.“

Letzte Aktualisierung ( 19.05.2009 )