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2012-09-26

Knüppeln für die Schule (Sächsische Zeitung - Kamenz)


Von Carolin Barth
Das drohende Aus der Oberlichtenauer Schule wird heiß diskutiert. Die Eltern kämpfen jetzt um den Erhalt. Auch mit juristischen Mitteln?

Knüppelkuchen und Kampfgeist wie Spiderman: Richard, Ricardo und Tim aus der ersten Klasse naschen beim Tag der offenen Tür ihrer Oberlichtenauer Grundschule. Die steht nun auf der Kippe. Der Pulsnitzer Stadtrat schlug der Verwaltung vor, die Schule zu schließen.

Dinah hat sich noch nicht entschieden. Sie könnte Flöte spielen oder aufs Schlagzeug wummern oder gar mit den jungen Imkern Bienenhonig schleudern. Ihre Mutter Barbara Lüke hat sich schon entschieden. Sie wird ihre Tochter am 8. Oktober an der Oberlichtenauer Grundschule „Am Keulenberg“ anmelden. Obwohl die Familie nur 200 Meter von der Pulsnitzer Grundschule entfernt wohnt. Obwohl an der Oberlichtenauer Schule nicht alle Wände farbig gestrichen sind. Obwohl sich der Stadtrat mit großer Mehrheit gegen eine Zukunft der Schule ausgesprochen hat und den Ausbau der Pulsnitzer Schule favorisiert. „Wir haben uns bewusst für diese Schule entschieden. Für uns als Pulsnitzer war es keineswegs selbstverständlich, Dinah auf die dortige Schule zu schicken.“ Oberlichtenau punkte mit Einzügigkeit, Verbundenheit zur Natur und musischem Profil, sagt Barbara Lüke. Vor allem aber wünsche sie sich für ihre Tochter, dass sie mehr lernt als nur das Einmaleins. „Ich will meinem Kind einen Sinn für Gemeinschaft mitgeben. Die erlebt es nur hier. Davon bin ich überzeugt.“ Barbara Lüke und Dinah haben schon mehrmals in die Klassenzimmer geschaut. Natürlich sind sie zum Tag der offenen Tür am Montagnachmittag gekommen. Um die Ganztagsangebote noch näher kennenzulernen. Um den Spielmannszug live zu erleben. Und um zu zeigen, dass sie sich stark machen wollen für die Schule, die jetzt auf der Kippe steht. Unter den Eltern der jetzigen und künftigen Schüler gibt‘s kein anderes Gesprächsthema. Auf dem rappelvollen Schulhof wird bei Knüppelkuchen und Bratwurst heiß diskutiert. Viele Mütter und Väter sind sichtbar aufgebracht. Viele sind fassungslos. „Ich kann das alles nicht verstehen. Gerade als wir genügend Freiwillige gefunden hatten, weil sie das Konzept überzeugte, positionieren sich die Stadträte gegen die Schule. Das schreckt Eltern ab“, sagt Mutter Nicola Kroker aus Friedersdorf. Ihr Kind besucht die dritte Klasse. Sie schätze die engagierten Lehrer, die Einbindung der Schule ins Dorfleben. Jedes Kind werde so angenommen, wie es ist und individuell gefördert. „Wie kann das sein, dass eine Stadt soetwas kaputtmachen will“, sagt Mutter Gabriele Pietsch. „Dabei wurde der Erhalt der Schule im Fusionsvertrag vereinbart. Wir fühlen uns über den Tisch gezogen. Wir können nicht mehr vertrauen.“

Der ehemalige Schüler der Oberlichtenauer Schule und Vater zweier Söhne Sandro Koschwitz hat kein Vertrauen in die veröffentlichten Baukosten, die jetzt im Raum stehen und ein Aus rechtfertigen sollen, wie er sagt. „Plötzlich sollen 800000 Euro in eine dringende Sanierung investiert werden. Das ist doch viel zu hoch angesetzt. Wie setzt sich diese immense Summe zusammen? Wo bleibt die versprochene Transparenz? Ich bin überzeugt, dass viel günstiger gebaut werden kann.“ Der Oberlichtenauer und Pulsnitzer Stadtrat Maik Förster kann da nur zustimmen: „Wir müssen an der Oberlichtenauer Schule so oder so in einen besseren Brandschutz investieren. Schließlich nutzt der Spielmannszug einen Großteil der Räume. Die Schließung würde den Spielleuten ihre Basis entziehen. Das kann ja wohl keiner der Stadträte wollen, die direkt daneben ein Sport- und Freizeitzentrum bewilligt haben“, so Förster. Er bedauert, beim Tag der offenen Tür keinen seiner Ratskollegen zu treffen. „Dabei wäre es so wichtig, dass sie sich mal ein eigenes Bild von der Schule machen. Erst dann können sie Sanierungskosten nachvollziehen und über kostengünstigere Alternativen nachdenken.“ Die Stadt stehe finanziell mit dem Rücken zur Wand, sagt Förster. „Zusätzliche Investitionen sind nicht drin. Wir erwarten sinkende Kinderzahlen. Neue Grundschulkapazitäten dürfen nicht finanziert werden. Stattdessen müssen vorhandene Räume optimal genutzt werden.“ Deshalb kämpfe er mit für den Erhalt der Dorfschule. Immer mehr Eltern wollen sich anschließen. Immer mehr signalisieren, bei Protesten dabei sein zu wollen. Der Oberlichtenauer Ortsvorsteher und Stadtrat Olfo Pabst ist ihr Sprecher. Nach einem Treffen mit dem Ortschaftsrat und Bürgermeister Peter Graff lädt er morgen Abend zu einer Info-Veranstaltung ein. Auch um die nächsten Schritte auszuloten.

Mutter Barbara Lüke hat im Kampf um den Erhalt der Schule ihre Unterstützung angeboten. Die Juristin kennt sich aus mit Verträgen und Fördermitteln. „Auch mir erscheinen die vorgelegten Zahlen wenig schlüssig“, sagt sie. Für sie gelten die Vereinbarungen im Fusionsvertrag nach wie vor. „Der Vertrag gilt seit 2009. Damals waren die heutigen Schülerzahlen doch bekannt. Nun auf neue Entwicklungen zu plädieren, ist nicht plausibel.“ Außerdem zweifelt die Juristin an, dass in der jetzigen prekären Situation überhaupt Fördermittel fließen würden. Käme es im schlimmsten Fall zu einer Klage, könne sich das Verfahren Jahre hinziehen. Barbara Lüke befürchtet nicht, dass die Oberlichtenauer Schule dicht macht. Im nächsten Jahr werden 23 Schulanfänger erwartet. Darunter ihre Dinah.

Morgen lädt der Oberlichtenauer Ortschaftsrat Pulsnitzer, Friedersdorfer und Oberlichtenauer um 19.30 Uhr zu einer Info-Veranstaltung ins Sport- und Freizeitzentrum ein. Zu den Gästen im Podium zählt u.a. Ex-Bürgermeister und Unterzeichner des Fusionsvertrages Carsten Guhr.