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2009-09-17

Sauerbruch spaltet das Rödertal (Sächsische Zeitung - Kamenz)

Von Reiner Hanke
Das Gymnasium ringt mit der Rolle des Namens- patens in der NS-Zeit. Jetzt sollen Stadtrat und Kreistag über den berühmten Mediziner diskutieren.
Im Oktober wird der Kreistag Bautzen voraussichtlich über den Namen des Großröhrsdorfer Gymnasiums beraten. Seit rund 18 Jahren ist der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch Namenspate der Einrichtung. Vor sieben Monaten kam der Mediziner aber ins Gerede.Während der Nazidiktatur soll die Biographie des Arztes braune Flecken erhalten haben.

Der Landkreis ist Träger dieser Einrichtung. Deshalb ist es auch Sache der Kreisräte, über den Namen zu entscheiden. Eine Tendenz in der Meinungsbildung sei noch nicht erkennbar, sagt Gernot Schweitzer, Pressesprecher im Landratsamt. So stehe noch die Stellungsnahme der Stadt Großröhrsdorf aus. Dort wird unterdessen umso emotionaler über Leben, Werk und dunkle Kapitel in der Sauerbruchschen Biographie gestritten. Das Rödertal ist offenbar in zwei Lager gespalten. Die Stellungnahmen der Schul- und der Lehrerkonferenz des Gymnasiums liegen bereits vor. Beide Gremien sprachen sich dafür aus, den Namen abzulegen. Jetzt steht aber noch die Empfehlung des Stadtrates aus. Die soll am Montagabend fallen und könnte das Meinungsbild verändern. So heißt es aus der FDP-Fraktion: „Wir sind dafür, den Namen zu behalten“, so Helfried Oswald. Die Schulkonferenz habe vorschnell entschieden, den Namen abzulegen: „Diesen berühmten Menschen kann man nicht nur an den Jahren zwischen 1933 und 1945 messen.“ Oswald erinnert an die großen medizinischen Leistungen des Chirurgen. Er sehe keine konkreten Beweise für eine Verstrickung des Chirurgen in Naziverbrechen.

Für Stadtrat Günter Hutschalik (Freie Wählern Gegenwind) gehe es vorrangig darum, was für die Zukunft des Gymnasiums gut und richtig ist. Die Schule brauche ein Vorbild, das in seiner Gesamtpersönlichkeit eine Leitfigur ist. Im Fall Sauerbruch gebe es Zweifel daran: „Eine so widersprüchliche Persönlichkeit ist eine Last.“ Im Interesse der Schule spreche er sich dafür aus, den Namen abzulegen.

Spannende Debatten

Stellungnahmen liegen dem Landratsamt zudem von Großröhrsdorfer Ärzten und Bürgern vor. Sie stellen sich hinter Sauerbruch. Auch Norbert Littig, Pfarrer in Großröhrsdorf und Religionslehrer am Gymnasium, würde es „als großen Verlust betrachten, wenn das Gymnasium den Namen ablegen würde“. In der Kritik steht der Mediziner wegen seiner Nähe zum Nazisystem, insbesondere durch seine Tätigkeit im Reichsforschungsrat und als Generalarzt des Heeres. In seiner Position soll er Mittel für medizinische Versuche an Häftlingen bewilligt haben. Bislang, so Norbert Littig, sei ihm aber kein Nachweis einer bewussten Täterschaft Sauerbruchs bekannt. Ansonsten müsste sich die Schule tatsächlich von dem Namen trennen. Der Pfarrer räumt ein, dass Sauerbruch kein Widerstandskämpfer gewesen sei, aber gerade Schüler auch viel „Vorbildliches im Leben Sauerbruchs“ fänden. So habe er gegen das nationalsozialistische „Euthanasie“-Programm protestiert und Verbindung mit entlassenen jüdischen Ärztekollegen gehalten. Er sei ein Mann mit Zivilcourage gewesen, dem medizinischen Ethos verpflichtet.

Das Votum der Schulkonferenz gegen den Namen Sauerbruch hatte Schulleiter Ulrich Schlögel so begründet: „Er hat Unterschriften geleistet für die Vergabe von Forschungsaufträgen. Dabei ging es um medizinische Experimente an Menschen. Er hätte genauer hinsehen und die Konsequenzen überdenken müssen.“

Vor diesem Hintergrund erwartet Günter Hutschalik eine äußerst spannende Diskussion am Montag, um 19Uhr im Stadtrat. Die Kreisräte werden das Reizthema frühestens Anfang Oktober im Kulturausschuss besprechen.

Anmerkung:
Ich sitze im Bildungsaausschuss des Landkreises und werde für die Namensbeibehaltung stimmen.
Maik S. Förster